01.09.1999, Minnesota (Gegenwind VI)
Nieselregen und weiterhin Gegenwind. Stimmung recht gedrückt. Ich fuhr auf einer autobahnähnlichen Strasse auf dem Randstreifen nach Südost. Es gibt Tage in Amerika, wo einfach nichts zu sehen ist. Ach ja Charles Lindbergh, der 1927 solo nonstop den Atlantik mit seinem Flugzeug überquert hat, lebte lange Zeit in Little Falls und das ist gleich um die Ecke.
02.09.1999, Mücken
Mücken. Man darf die m.i.v. - mean insect velocity, die ungefähr 12km/h beträgt, zu keinem Zeitpunkt unterschreiten, denn sonst ist man tot. Drückend schwül das Wetter hier und heute. Montana war bedeutend trockener. Das ist auch schon der einzige Unterschied, so kam es mir manchmal vor. Nein hier in Minnesota wird vor allem Mais angepflanzt und Milchwirtschaft betrieben. Es sieht aus wie in Niederbayern. Hier hat man nicht mehr das Bild des Cowboys im Kopf, der über endlose, trockene Ebenen dem Sonnenuntergang zureitet, nicht mehr das Bild von 4 Mähdreschern, die etwas versetzt nebeneinander ein Feld mähen. In Minnesota beginnt "Europa". Naja, vielleicht gibt es da ein paar Unterschiede.
03.09.1999, In der Mitte von Nirgendwo
Am Abend zeltete ich in Cloney, ein rund 17 Einwohner zählendes Dorf in Wisconsin. Hinter einer Bar. Am Abend war ich dort der einzige Gast. Ich kaufte dem Ehepaar, das den Laden betreibt, ein paar Bier und eine Tiefkühlpizza ab, die sie in einen kleinem Ofen hinter dem Tresen buken. Wir sprachen über Amerika, Gott und die Welt. Das Zelt war mal wieder naß und irgendwann kam ein zweiter Gast um sich ein paar Zigaretten zu kaufen. Das wars. These are the days ...
04.09.1999, Zeltplatz voll
Heute in Eau Claire, das Bild daneben zeigt, wie es dort aussieht. Ich kenne viele Leute, die früher mal dort wohnten, mir wurde klar, warum sie alle weg wollten. Heute war ein Feiertag, das Ende des Sommers gewissermaßen. Halb Amerika ist beim Zelten übers Wochenende. Der Zeltplatz, denn ich abends ansteuerte war übervoll, so stands auch schon am Eingang. Doch die Dame am Eingang zum State Park sagte gleich, da du ein Fahrradfahrer bist, kannst du bleiben und musst auch nichts zahlen.
05.09.1999, Gastfreundliches Amerika
Auch heute kaum ein Platz frei im Emily Lake State Park. Beim durchmustern der Reihen fuhr ich an einer Familie vorbei, die ich nach einem freien Plätzchen die Strasse runter fragte. 50m entfernt war etwas frei. Ich baute dort mein Zelt auf, als nach etwa 15min der Familienvater mit seinem großen Jeep vorbeikam, um mir zu sagen, das ich zum Essen eingeladen bin. Bis er auf der Straße mit seinem großen Wagen umgedreht hatte, war ich bereits an ihrem Zeltplatz zu Fuß angekommen. Seine Tochter war mit dabei, die mir später stolz rund 500 Photos von einer Autorennarena zeigte, wo sie letztes Wochenende mit ihrem Freund war. Eintritt 200$, Anfahrt mit dem Auto 15h, ca 150000 Zuschauer. Die Photos waren auf den ersten Blick alle gleich, ein Riesenkessel voller Menschen und, mit einer Lupe kaum zu erkennen, die Momentaufnahme von ein paar Motorboliden. Es gab Hamburger, sie hatten 6 Buletten mit dabei, 3 davon landeten, nach höflichem, aber anscheinend nicht überzeugendem, "nein, das braucht's doch wirklich nicht, haben Sie denn gar keinen Hunger" usw., in meinem Magen. Der Zeltplatz war mückenfrei, das Zelt sogar am Morgen trocken und die Duschen warm. Ich wusste schon gar nicht mehr, daß Radfahren Spaß machen kann. Ach ja, einen ALDI habe ich heute auch entdeckt, doch Sonntag ist er geschlossen, wie in good old Germany.
06.09.1999, Tom aus Manitowoc
In Manitowoc angekommen suchte ich die Touristeninformation auf, ja, die gibt es dort, und suchte nach einer Bleibe für mein Fahrrad, denn ich wollte mit dem Bus einen Abstecher nach Chicago machen. Tom der freundliche Mensch vom visitor center half mir aus der Patsche und das Fahrrad wurde im Keller verstaut.
07.09.1999, Chicago I
Einige Tage Erholung vom Radeln und die Möglichkeit deutsche Zeitungen in der Bibliothek zu lesen. Heute kann man die Süddeutsche Zeitung freilich überall auf der Welt im Internet lesen, außer vielleicht auf dem Radl.
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