Von Vancouver nach New York (1)

Eine Radtour durch Nordamerika

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11.08.1999, Tag der Sonnenfinsternis

Um 12.30 startet der Flieger mit mir und meinem Fahrrad in München. Zwischenstation London Heathrow, dann Weiterflug nach Vancouver, wo der Jumbo noch am selben Tag abends um 18.30 ankommt. Glücklicherweise kommt mein Rad "unverletzt" an, so daß ich schon eine halbe Stunde später mit bepacktem Drahtesel die 20km zur Jugendherberge zurücklege.


12.08.1999, Über die Grenze in die Vereinigten Staaten

Auf Nebenstraßen nach Sumas, wo ich nach kurzer Überzeugungsarbeit eine Einreiseerlaubnis in die USA erhalte. Ich sage dem Grenzbeamten, ich will nach Chicago radeln, das klingt weniger unwahrscheinlich als New York. Nachdem ich am ersten Tag meiner Reise mein Zelt nicht irgendwo in der freien Wildbahn aufbauen wollte, suchte ich nach einem Zeltplatz. Man schickte mich prompt zu einem Campingplatz, der vor einigen Jahren schon geschlossen hatte. Es ist 7 Uhr abends und der nächste Zeltplatz 40km weg, 160km war ich schon geradelt und wollte es eigentlich am ersten Tag gemütlich angehen. Der Zeltplatz war dann ein Luxus-Platz mit Luxuspreisen, aber was soll's, erster Tag und neu im Land.

13.08.1999, Erste Bergstrecke

Im Tal des Flusses Skagit geht es langsam aber stetig bergauf. Die Bergpässe, die ich zu überwinden hatte, haben Steigungen von rund 5%; um 1000 Höhenmeter zu gewinnen muß man mancherorts 40km lang flache Steigungen hinauftreten. Da mein Fahrrad mit dem vielen Gepäck (großes Zelt, Benzinkocher, Schlafsack, Proviant, Wasser, ...) sowieso eher einem Lastwagen/esel glich, war ich recht dankbar für die sanften Steigungen. Und die Abfahrten sind umso schöner, da man kaum bremsen muß und lange das Vergnügen hat.


14.08.1999, Doppelpaß I

Der erste Paß machte seinem Namen alle Ehre: Rainy-Paß, rund 4800ft über dem Meeresspiegel. Es soll dort recht schön sein, ich hatte leider Nebel und Regen. Nicht umsonst heißt Washington auch der "Evergreen State". Der zweite Paß, Washington-Paß, gleich danach 5400ft. Eine alte Western-Touristen-Stadt gibt es in Winthrop zu besichtigen. Ich sah zu, daß ich noch ein paar Kilometer von dem Trubel wegkam.

15.08.1999, Doppelpaß II

Zwei weitere Pässe zu je rund 1000 Höhenmetern an einem Tag. Am Nachmittag machte ich Pause in einem Cafe / Tankstelle / Tante Emma Laden. Neblig und kühl war es draußen; ich trank ein dünnes braunes Wasser, in dem man anscheinend eine Kaffeebohne an einem Bindfaden befestigt für ein paar Sekunden hatte schwimmen lassen. Country Musik krächzte aus dem Radio und eine koreanische Frau polierte die ganze Zeit Besteck. Nach einer halben Stunde betrat ein Kunde den Laden und kaufte Köderfischchen, die in einem Wasserbecken schwammen. Cowboystiefel und -hut, in seinem Jeep sah ich ein Gewehr. Von dem Augenblick an war mir klar, ich bin im Wilden Westen. Soviele John-Wayne-Filme, Karl-May-Romane und Marlboro-Werbespots, ich bin da und mitten drin. Am Abend wieder Regen. Es ist sehr ärgerlich ein vom Vortag nasses Zelt im Regen aufzubauen.

16.08.1999, Radler gesichtet

Das Land ist dünn besiedelt. Man sieht bisweilen abenteuerliche Wohnstätten, zusammengewürfelt aus Wellblech einem alten Wohnwagen und ein dutzend schrottreifer Autos herum, die der Besitzer der Behausung offensichtlich ausschlachtet. Stacheldrahtzäune, Satellitenschüssel, Blechtonnen, ein Pony und ein alter gelber Schulbus ohne Fensterscheiben. Ein kläffender Hund gehört in jedem Fall dazu. Um seinem Brotherrn seine Nützlichkeit und Aufmerksamkeit zu beweisen bellt er wie verrückt und nimmt, wenn nicht angekettet, was er meistens jedoch ist, die Verfolgung des Radfahrers auf. Auf dem schweren Rad ist man so gut wie hilflos. Nicht allzuweit entfernt hat sich jemand eine weiße Villa mit griechischen Säulen in die Landschaft gepflanzt. Swimmingpool, ein 15 Meter langes Wohnmobil, das aussieht wie ein Raumschiff, gepflegter Kiesweg zur Doppel-und Dreifachgarage; Garagentor in weiß, mit Kassetten, öffnet sich ferngesteuert. Ich weiß, wie schwarz-weiß das klingt, aber so war es.
Ein älteres Ehepaar aus Princeton, New Jersey, kam mir heute auf der Straße mit Fahrrädern entgegen. Sie waren vor gut zwei Monaten im Osten gestartet. Das machte mir Mut. Sie waren Motel-Radler, ohne Zelt unterwegs.

17.08.1999, Pend Oreille River

Am Pend Oreille River entlang von Ione nach Sandpoint. Sonne, blaues Wasser, Berge, wenig Autos, ein schöner Tag. Abends teilte ich mir mit zwei Radlern aus Vancouver einen Zeltplatz in der Nähe von Sandpoint. Dort staut sich der Fluß zu einem großen See. Ob Wasserski, Fischen, Surfen oder Segeln, der See hat genug Platz für alle. Ein wenig schwimmen, das verschwitzte T-Shirt wechseln und ich war wie neugeboren.



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